Montag, 15. Juli 2013

3. Tag: Von Bovec ins Val di Resia

Nach einer erholsamen Nacht und einem guten Frühstück rief Andreas nochmals einen Fahrer. Die ganze Strecke nicht am Stück zu Fuß zurücklegen zu können ist sehr schade, doch um den höheren Lagen am Kanin großräumig ausweichen zu können, ist ein großer Umweg die einzige Alternative, und wir mussten an diesem Tag noch das mittlere Val di Resia erreichen, weil dort die nächste Übernachtungsmöglichkeit liegt. Dies ist nun einmal der Nachteil solch einer untouristischen Gegend, der aber natürlich von vielen Vorteilen überwogen wird.
Bis hier sind wir von Anfang an immer in der Nähe der Mojstrovka - Bruchzone gewandert, die sich von Podkoren in der Nähe von Planica über die Sleme (unseren Biwakplatz) und natürlich die Mojstrovka zum Jalovec und weiter zum Bavski Grintavec schließlich bis Bovec zieht. Diese Bruchzone ist geologisch sehr bedeutend, hier hat sich das östliche Massiv gegenüber dem westlichen um mehr als 1000 Meter angehoben! Diese ist auch für die vielen Steilwände entlang dieser Kammlinie verantwortlich, von hier präsentiert sich noch ihr letzte imposante Vorposten.
Unser Fahrer ist hauptberuflich Besitzer einer Rafting - Agentur in Bovec: Jeden Sommer kommen ungefähr 4000 Touristen, die von dem Reiz einer Bootstour auf der malerischen Soca angezogen werden. Die übliche Strecke sei in etwa 10 Kilometer lang, stolz zeigt er uns auch die Einstiegsstelle. Der Skitourismus hingegen sei lange nicht mehr so ertragreich, vor 20 Jahren seien es noch rund 2000 Touristen pro Tag in Bovec gewesen sein, heute nicht einmal mehr 400, trotz des attraktiven Skigebiets zu beiden Seiten des Kaninmassivs. Den Grund dafür sieht er darin, dass seitdem Wellnesshotels in Mode gekommen seien, die hier nicht gebaut wurden, und wer macht heutzutage noch Skiurlaub in einer schlichten Pension. Dafür hat sich der Tourismus hier mehr auf den Sommer verlegt, im und um den Triglav - Nationalpark herum gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten für jeden Geschmack, besonders beliebt ist seit einigen Jahren das Wildwasserfahren, wofür Bovec den idealen Ausgangspunkt darstellt.






Nach einer netten und informativen Unterhaltung setzt uns der Fahrer schließlich am ehemaligen Grenzhäuschen auf der Wasserscheide zwischen dem slovenischen Soca- und dem größtenteils italienischen Ucceatal ab, die letzten zwei Kilometer zur heutigen Grenze direkt am Rio di Uccea wollen wir selbst zu Fuß zurücklegen. Kaum haben wir uns ein Stückchen von der Hauptstraße im Socatal entfernt, scheinen wir uns in der Mitte einer menschenleeren Wildnis zu befinden. Hier sieht man es der Landschaft schon an, dass es Bären und Luchse  gibt... Auf Zivilisation weist jedenfalls nur die kleine verlassene Straße zur Grenze und eine alte Stromleitung auf der anderen Seite des Tals hin. Bald erreichen wir die Brücke am Talboden und damit die Grenze - nun befinden wir uns also in Italien. Hier zweigt die Straße nach Uccea ab - ein sehr verlassener Ort mit größtenteils heruntergekommenen Gebäuden. Auch wenn am Gemeindehaus noch Aushänge gemacht werden und manche Gärten gepflegt aussehen, erinnert dies schon sehr an die Geisterdörfer, von denen wir im Laufe unserer Wanderung noch mehr sehen werden. Offensichtlich sind die jüngeren Leute lange in größere Orte mit besserer Zukunft gezogen, die für diesen Ort auf jeden Fall nicht besonders gut aussieht...


Der Weg führt durch ein paar Ortsteile immer weiter hinein ins nasse Val di Carnizza hinein, bevor der kleine Steig mit der Nummer 734 abzweigt. Dieser führt zunächst steil über Wiesen, auf denen er schon vollständig zugewachsen ist zu Almen mit Namen in einer für uns komplett unbekannten Sprache, die wir zunächst für friaulisch halten. Im Wald ist der jetzt höhenwegartige Weg wieder besser sichtbar, doch immer wieder kommen wir auf steile Berwiesen auf denen wir die Richtung  nur ahnen können und die Hände auch hin und wieder hilfreich sind... Das hat aber einen ganz besonderen Reiz, wenn man Stundenlang keinem Menschen begegnet oder auch nur eirgendetwas sieht, was auf die Anwesenheit von Menschen schließen könnte. Die Natur hat sich den - gut markierten - Weg schon lange mit Gräsern, Sträuchern und Ameisenhaufen zurückerobert, die Bergwiesen riechen nach Oregano und  im Schnee unter dem Sattel sieht man Spuren von Füchsen, Luchsen, ...
Früher als gedacht erreichen wir um 11.15 Uhr die Casera Nische, ein Sattel auf ca. 1350 Metern Seehöhe. Es ist sonnig und warm, dadurch schmelzen die meist nur noch wenigen Zentimeter Schnee schnell, aber es wird dadurch auch rutschiger. Wir lassen uns die gute Stimmung dadurch nicht verderben und wandern nach einer kleinen Pause auf der anderen Seite des Sattels hinab ins Val die Resia, hin und wieder wird auch der Blick auf den wolkenverhangenen Kanin frei. Die Sonne scheint, und von überall hören wir Vogelgezwitscher und Kuckucksrufe. Irgendwann erreichen wir den Rand einer großen Geröllreise, auf ein paar exponierten und gut zu erreichenden Felsen lässt es sich aussichtsreich Brotzeit machen, und mittlerweile ist es sommerlich warm... Die Ursache für den natürlichen Steinbruch wird bald deutlich, das Gestein ist so porös, dass man es mit den Händen auseinandernehmen kann, und sogar auch beim Laufen über die Felsen, unabsichtlich natürlich ;) .




Nach einer ausgedehnten und aussichtsreichen Mittagspause laufen wir weiter zur Almlandschaft von Gilvaz di sopra mit zahlreichen gemütlichen Ferienhütten in einer heiteren aussichtsreichen Lage auf einem 1000 Meter hohen Hügel über dem Val di Resia und weiter auf einem Fahrweg bei Vogelgezwitscher und Sonnenschein hinab zur Cyrna Penc an der Hauptstraße im Val di Resia. Ein Stückchen weiter machen wir Pause am klaren und reißenden Torrente di Resia auf nicht einmal 400 Metern Seehöhe, niedriger als unsere Heimatstadt München und doch mitten im Gebirge. Dann ist wieder ein kleiner Gegenanstieg nach Stolvizza, ein kleiner verschlafener Ort, nötig. Wir beschließen, noch ein paar Kilometer weiter nach Prato di Resia zu laufen. Der Weg dorthin ist der Ta Lipa Pot, ein schön angelegter Höhenweg über viele Bäche und durch schöne Wälder, aber auch an traditionellen friulanischen Bauernhöfen vorbei bis nach Prato, das wir um 16.15 Uhr erreichen. Dort gibt es schöne große Wohnhäuser und auch Kirche und Informationszentrum des Parco Naturale di Prealpi Giulie sind frisch restauriert, außerdem wachsen in allen Gärten und auf Wiesen viele schöne mediterrane und südalpine Pflanzen... Glücklicherweise kommt aus der Informationszentrum jemand, den wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen und lassen uns die Albergo delle Alpi 200 Meter weiter empfehlen. Dort entspannen wir uns für den Rest des Abends und essen typisch friulanisch zu Abend: Es gibt Frico, ein Mus aus flüssigem Käse junger Kühe mit Polentastreifen, ein bisschen wie Käsefondue, auf jeden Fall eine gute Stärkung nach einem langen Wandertag, und Cjalzons, Teigtaschen in Buttersauce ähnlich den Schlutzkrapfen in Südtirol mit Käsefüllung. Und nach einem netten Gespräch lässt uns das freundliche Wirts - Ehepaar sogar noch an ihren neuen Apple-Computer mit friulanischer Tastatur, so konnten wir den Beitrag "Die ersten Eindrücke" posten. Und dann eine schöne Nacht...

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