Montag, 17. Juni 2013

2. Tag

Auf der Ticarjev dom frühstückten wir zunächst, dann erholten wir uns am warmen Ofen, dösten ein bisschen, genossen die weite Aussicht bei fast wolkenlosem Himmel und machten uns Gedanken über die weitere Planung, da die ursprüglich geplante Route für die nächsten zwei Tage bei den momentanen Bedingungen offensichtlich unrealistisch ist. Schließlich beschließen wir, nach wie vor in Bovec zu übernachten, und anstatt über den Höhenweg über dem obersten Socatal und den Sattel nördlich des Bavski Grintavec (ca. 2030m) laufen wir jetzt den längeren Weg durch das Socatal nach Trenta und weiter das Tal entlang bis Bovec. Nach der Hüttenwirtin seien das allerdings 40 Kilometer, zu viel für einen Tag. Nach unserer Karte sind es allerdings nur etwas mehr als 20 Kilometer... Jedenfalls wollen wir Bovec auf jeden Fall noch erreichen, damit wir unseren weiteren Zeitplan einhalten können. Außerdem wollen wir uns nicht unnötig lange mit den längeren Wegstrecken auf der Landstraße im Tal aufhalten, die auf den letzten Kilometern vor Bovec meist unvermeidbar sind.
Im Kühlregal sehen wir die begehrte slovenische Biersorte Slatorog stehen. Da kann Andreas natürlich nicht Nein sagen auf dem Etikett ist sogar der Steinbock mit seinen goldenen Hörnern abgebildet: Nach einer alten slovenischen Sage lebte im Sieben-Seen-Tal einst ein Steinbock, Zlatorog, dessen goldene Hörner der Schlüssel zu einem riesigen Schatz in einem Berg waren. Als irgendwann ein junger Jäger versuchte, den Schatz für seine Freundin zu stehlen, wurde dieser nie wieder gesehen...

 
Nach unseren Eindrücken des letzten Tags und vor allem der letzten Nacht wirkt diese Sage gleich viel lebendiger!
Wir versuchen uns ein bisschen mit der Wirtin zu unterhalten, das gestaltet sich allerdings schwierig, weil sie kein Deutsch und nur wenig Englisch, wir auch nicht besonders gut Englisch und kein Slovenisch sprechen können. Also dauert es im Schnitt etwa drei Minuten, bis einer eine Frage so gestellt hat, dass der andere sie nach mehreren Wiederholungen verstehen kann... Aber weder die nette Hüttenwirtin noch wir lassen uns entmutigen.So erzählt sie uns, dass sie hier seit drei Jahren als Hüttenwirtin tätig ist. Sie kommt aus Slovenien und die Arbeit auf einer slovenischen Hütte macht ihr viel Spaß. Die meisten Gäste kommen hier natürlich im Sommer, in der Nebensaison, wie jetzt, kommen nur wenige. Das sieht man: Bis elf Uhr mittags sind wir die Einzigen und es sieht nicht so aus, als hätte hier ein Gast übernachtet. Auch dann kommt nur ein einzelner Wanderer herein...
Ein Blick ins Hüttenbuch verrät aber noch mehr: Vor drei Tagen war hier eine kleine Guppe USAmerikaner (aus Virginia, Colorado und Kalifornien), und auch davor kamen Gäste erstaunlich vieler Nationalitäten, vor allem für diese Zeit: Neben Italienern, Holländern, Deutschen und Slovenen kamen seit der Öffnung der Hütte am 16. Mai Urlauber aus England, den USA, Katalonien, Brasilien und Äthiopien! Insgesamt kamen bis jetzt ungefähr 50 Besucher dieses Jahr. Eine ungewöhnlich hohe Zahl, bedenkt man, dass die Hütte nach der Winterpause erst seit 10 Tagen wieder geöffnet hat!
 
 
Nachdem wir uns gut erholt und den weiteren Tag geplant haben, machen wir uns um 11.45 Uhr schließlich fertig zum Aufbruch richtung Koca pri izviru Soce an den Soca-Quellen. Nach ein paar Kehren an der aussichtsreichen Passstraße (man sieht die - nicht nur grauen - Felsen der Mojstrovka und des Prjsonik, nach Süden geht der Blick zu den Bergen über dem Sieben-Seen-Tal und der Komna, weiter westlich der Bavski Grintavec) im Süden zweigt auch schon der schöne Wanderweg ab. Durch Hinweisschilder erfahren wir, dass wir uns hier nicht nur auf der roten Via Alpina, sondern gleichzeitig auf dem Alpe-Adria-Trail befinden. Mittlerweile liegt nur noch wenig Schnee und die Sonne erwärmt die Luft und den Boden an diesem südseitigen Hang schnell, sodass wir das erste Mal daran erinnert werden, dass es Ende Mai ist. Durch einen schönen lichten Wald, in dem wieder die artenreiche südalpine Vegetation auffällt, geht es schnell immer weiter abwärts. Einmal sehen wir eine Gams im Wald (merkwürdig... vielleicht war ihr auch zu kalt), und gegen Ende, als wir einen Bach überqueren, der vom Vrsic-Pass herunterkommt und nun natürlich außergewöhnlich viel Wasser führt, wird der Blick auf eine Karstlandschaft am gegenüberliegenden Hang frei. Unten an der Koca pri izviru Soce laufen wir vorbei an alten Höfen mit Steinmauern, bevor wir den Fahrweg um 13.10 Uhr erreichen.








 
Nur ein paar hunderte Meter weiter zweigt auch schon der Soca-Pot ab, ein schöner kleiner Wanderweg, der von den Soca-Quellen immer am Fluss entlang bis fast nach Bovec führt. Hier ist es sommerlich warm und die bunte, artenreiche Flora und die vielen auffälligen Insekten, vor allem die vielen bunten Schmetterlinge, kommen einem schon ein bisschen mediterran vor. Und tief unten tost die junge Soca in ihrem weithin bekannten Türkis...
Irgendwann erreichen wir die Straße richtung Trenta, der wir nun vorerst folgen müssen. Sie ist zum Glück nur wenig befahren, allerdings rasen hin und wieder kleinere und größere Gruppen Motorradfahrer vorbei, wahrscheinlich Hobby-Fahrer. Das scheint hier im Nationalpark also (noch ?) erlaubt zu sein. An der Straße sehen wir weitere kleinere und größere Schmetterlinge und sogar eine Blindschleiche.
Nach ungefähr zwei Kilometern erreichen wir den Abzweig zum Alpinum Juliana, einem Alpengarten, zu dem wir einen kurzen Abstecher unternehmen. Um ca. 13.45 erreichen wir den schön angelegten Garten in der beeindruckenden Landschaft aus senkrechten Felswänden mit vielen Wasserfällen und schönen Wäldern als perfekter Kontrast. Wir machen Mittagspause an einem Brotzeitplatz oben im Garten, als es beginnt zu regnen, weil sich der Himmel inzwischen verdunkelt hat, stellen wir uns am kleinen Pförtnerhäuschen unter. Die freundliche alte Pförtnerin erzählt, dass das Wetter in diesem Jahr ungewöhnlich schlecht sei. Im ganzen Mai habe es nur einen einzigen Sonnentag gegeben! Deswegen blühen die Pflanzen dieses Jahr hier später als sonst, sogar hier unten beginnt der Enzian erst jetzt zu blühen. Trotzdem ist der Garten eine blühende Landschaft, auf relativ engem Raum gibt es hier eine unglaubliche Artenvielfalt, von Sumpfgewächsen wie der Schwertlilie bis zu den typischen alpinen Pflanzen wie Latschenkiefer und Edelweiß. Auf jeden Fall ist ein Besuch hier sehr lohnenswert!
 
 




 

 



Nach einem abschließenden Rundgang durch den wunderschönen Garten geht es um 14.50 Uhr weiter nach Trenta, diesmal bleiben wir an der Straße, als der Soca-Pot auf die andere Seite des Flusses wechselt, um am Besucherzentrum des Nationalparks vorbeizukommen. Die Landschaft bleibt beeindruckend, wir laufen direkt auf eine dunkle Felswand aus Dachsteinkalk mit Höhlen und kurzen nahezu waagrechten Überhängen zu! Und unter uns rauscht die Soca in Kaskaden die Steilstufe vor Trenta hinab...
Als wir nach einer Dreiviertelstunde am Besucherzentrum in Trenta fällt uns zuerst eine Schautafeln ins Auge, auf der die Berge abgebildet sind, die man von hier aus sehen kann. Demnach sehen wir sogar den Fuß der Wände am Triglav!
Im Besucherzentrum gibt es gleich am Eingang kostenlose Prospekte zum Nationalpark in allen Sprachen und Postkarten, außerdem gibt es einen großen Infostand. Auch hier werden wir freundlich begrüßt, die Frau am Infostand nimmt sich gerne Zeit für uns und bestätigt, dass es hier tatsächlich alle an einer großen Säule abgebildeten Tiere gibt: Zwischen Hirschen, Füchsen, Gämsen, Vögeln und schon mediterranen Tieren wie Schmetterlinge und Schlangen ist in der Mitte ein großer Bär abgebildet. Wir fragen nach und erfahren, dass es in der Region zur Zeit drei Braunbären gibt. Diese seien aber sehr scheu und halten sich nur in abgelegenen Bergregionen auf.
Beliebte Aktivitäten für Touristen sind hier natürlich im Sommer das Wandern. Viele Urlauber machen auch Tagesausflüge zu Sehenswürdigkeiten wie die spektakuläre Schlucht bei Tolmin, das Sieben-Seen-Tal, die Triglav-Nordwände über der Vrata oder dem Matajur. Sehr populär ist auch das Wildwasserfahren in der Soca, allerdings erst ab Bovec, weil es im Nationalpark verboten ist, im Gehensatz zum Motorradfahren...
Landwirtschaftlich scheint die Region nicht besonders erfolgreich, um Trenta herum gibt es nur ein paar Ziegenbauern, und jedes Jahr werden es weniger. Aber im Osten des Nationalparks gibt es viele Kuhbauern, das ist wohl ertragreicher.

Im Besucherzentrum überlegen wir, wie wir es heute noch bis Bovec schaffen können, immerhin ist es schon 16.00 Uhr und nach revidierten Schätzungen sind es noch 20 Kilometer! Und der Bus fährt nur im Sommer. Also sehen wir uns gezwungen, uns die Telefonnummer für ein "Taxi" geben zu lassen, leider die einzige Möglichkeit, um nicht wieder biwakieren zu müssen ;)
Trotzdem machen wir uns erst einmal weiter auf den Weg, bald treffen wir auch wieder auf den
Soca-Pot. Dieser verläuft auf der anderen Seite des Flusses als die Straße, vorbei an Bauernhöfen und Auwiesen, immer direkt am Fluss entlang. Einmal laufen wir über eine Schafweide mit einem sehr zutraulichen Hüteesel, der und bis zum anderen Ende der Weide folgt - und mit ihm alle Schafe! An einem schönen Hof in typisch regionaler Bauweise überqueren wir um 17.50 Uhr eine nicht sehr vertrauenswürdige Holzbrücke (ohne Geländer) und organisieren uns einen Fahrer. Bis er kommt laufen wir weiter an der Straße entlang, bevor wir wie vereinbart bei Kilometer neun auf ihn warten. Dort gibt es eine spektakuläre Hängebrücke über die Soca, an der wir nochmals die felsige Landschaft und die enge Schlucht, in der die blau-grüne Soca tost bestaunen. Als uns der junge einheimische Fahrer abholt, erzählt er uns in fließendem Englisch viel über sich und die Gegend. Zuallererst vermittelt er uns eine Unterkunft, dann berichtet er uns von den Bären im Nationalpark: Vor drei Tagen wurde ein Bienenstock seines Großvaters oberhalb von Trenta ausgeräumt! Ansonsten bestätigt er aber, dass die drei Bären in der Gegend hier sehr scheu und nicht gefährlich seien. Nur der Versuchung von Honig können sie offenbar nicht widerstehen...
 

 

 
Eine Viertelstunde später kommen wir schließlich in der Unterkunft an und freuen uns schon auf eine gemütliche Nacht, außerdem haben wir ein schönes Badezimmer mit Dusche, ein Traum nach der letzten Nacht. Aber davor lassen wir es uns abends im kleinen, aber schönen Stadtzentrum von Bovec vor toller Bergkulisse gutgehen, essen zünftig in einer gemütlichen
Jugoslavisch-Italienischen Gaststube und genießen eine riesige Kugel Eis...
 
 


 
 


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